Café Le Nautique „chez Schwob“
Café de Lyon
Café de la Marine
Egal ob sie nur auf der Durchfahrt sind oder länger in Sanary bleiben, eines haben die Exilanten gemeinsam, wenn sie in den Cafés zusammenkommen: Widerstand gegen das Hitler-Regime. Das Café wird zum Mittelpunkt ihres gesellschaftlichen Lebens. Man debattiert über Nietzsche, Goethe oder auch über Alltagssorgen. Am liebsten trifft man sich im Café Le Nautique, genannt «chez Schwob» nach seinem Inhaber. Das Café de Lyon wird vor allem von den Einheimischen und einigen frankophilen Exilanten besucht, während das Café La Marine Treffpunkt für die Intellektuellen der Bohème ist.
Im Exil spielt sich das gesellschaftliche Leben für den Emigranten im Café ab. Hier trifft er Gleichgesinnte zum Gedankenaustausch über seine Werke, über die politische Situation, aber auch über Alltagssorgen.
Beim Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland, geht ein großer Teil der deutschen Künstlergemeinschaft aus dem Café du Dôme von Montparnasse ins Exil nach Sanary. So trifft man u.a. auf den Caféterrassen am Hafen Erich Klossowski, Julius Meier-Graefe, René Schickele, Wilhelm Herzog, Walter Bondy, Franz und Helen Hessel, Eugen Spiro, Hans Siemsen. Wobei einige von ihnen sich bereits vor 1933 in Sanary niederließen. Zu ihren bevorzugten Cafés gehören Le Nautique, le Café de Lyon und Le Café de la Marine. Das Café Le Nautique, genannt nach seinem elsässischen Inhaber „bei Schwab oder Schwob“ und nach seinem Tode „bei Witwe Schwob“, wird von den meisten Exilanten besucht, egal ob sie nur auf der Durchfahrt sind oder längere Zeit in Sanary bleiben.
Unter den Stammkunden trifft man Bertolt Brecht, der es vorzieht seine Werke eher einem breiten Publikum an einem öffentlichen Ort vorzustellen als im exklusiven Lesezirkel bei Thomas Mann. In Begleitung seiner Mitarbeiterin und Lebensgefährtin Margaret Steffin spielt er Gitarre und singt dazu Spottlieder über Goebbels und Hitler oder belustigt sein Publikum mit bayrischen Schnaderhüpferln.
Täglich kommt René Schickele, liest mehrere Tageszeitungen und analysiert das politische Geschehen. Anschließend wird darüber heiß mit seinen Freunden Erich Klossowski, Heinrich Mann und Julius Meyer-Graefe diskutiert. Am kleinen Nebentisch sitzt Hilde Stieler und schreibt einen Artikel für eine deutsche Zeitschrift. Walter Bondy und Erich Klossowski finden sich zu einer Schachpartie im Café de Lyon, Bar der Einheimischen, wo Walter die junge Camille Bertron kennenlernt. Die beiden Freunde, überzeugte Frankreichanhänger mit dem Wunsch nach Einbürgerung, fühlen sich dem deutschsprachigen Clan nicht zugehörig. Wie auch immer, für alle ist das Café ihr Hauptquartier. Nur die wenigsten sind aufgrund ihrer begrenzten materiellen Möglichkeiten in der Lage, bei sich zuhause zu empfangen.
UM MEHR ZU ERFAHREN
Die Mediathek Jacques Duhamel in Sanary-sur-Mer bietet eine Sammlung von Büchern zum Thema Erinnerung an das Exil in Sanary.